Rezension: „Hawaii“ – Cihan Acar


Ein rauschhafter Trip durch Heilbronn, der den Leser sofort in seinen Bann zieht.
- Benedict Wells

 

Klappentext
Es sind die heißesten Tage im Jahr, Hundstage, die, so glauben manche, schweres Unheil bringen. Kemal Arslan läuft durch Heilbronn, ein Fußballstar, der nach einem Unfall seine Karriere beenden und von vorn anfangen muss. Unbeteiligt steht er auf einer türkischen Hochzeit herum, geht in ein Striplokal und ins Wettbüro, gerät mitten hinein in eine Straßenschlacht zwischen Rechten und Migranten, trifft seine Exfreundin Sina und besucht seine Eltern, die, wie die meisten Türken der Stadt, in Hawaii wohnen, einem Problembezirk mit heruntergekommenen Hochhäusern und rauem Straßenleben, der rein gar nichts mit dem Urlaubsparadies gemeinsam hat. Cihan Acar erzählt von zwei Tagen und drei Nächten eines jungen Mannes, in denen er alle Stadien von Illusion, Sehnsucht und Einsamkeit durchquert. Ein Buch über all die Heimatlosen, Nachtgestalten und Romantiker, die im Dazwischen leben.

 

Also der Kern eines Menschen, der bleibt gleich, daran ist nicht zu rütteln, aber Verhalten und Denken passen sich mit der Zeit an. Bei manchen mehr, bei manchen weniger.
- S. 83

 

 

Rezension
{spoilerfrei}

 

Cover
Das Cover ist abstrakt - anders, als typische und fällt dadurch auf.
Es ist hässlich- schön, auf seine ganz eigene Weise und passt so zum Titel, unter dem man sich einerseits eine wunderschöne Insellandschaft vorstellt und andererseits vom Heilbronner Hawaii weiß, das eher unschön und kaputt dargestellt wird.
4 /5
🦋e

 

Inhalt
Das Buch beginnt an einem Donnerstagabend, auf einer Hochzeit, auf der Kemal ist - obwohl er eigentlich nicht so Lust drauf hat.

Insgesamt zieht sich das Buch über 4 Tage, Donnerstag bis Sonntag, in denen man als LeserIn in das Leben des Protagonisten eintaucht.

Es gibt keine extreme Spannung, viel mehr ist man neugierig, was Kemal in diesen Tagen erlebt und ob sich etwas in seinem Leben ändert.

Der/die LeserIn wird in die Geschichte reingeworfen und damit kommt man super zurecht. Schnell hat man das Gefühl drin zu sein, die Umwelt und die Bekannten kennenzulernen und fühlt sich in diesem Szenario zurecht.

Sina, Kemals Ex- Freundin, seine zwei besten Freunde seit Kindertagen, aber auch Onkel und Tanten kommen vor. Und andere Personen, die im Laufe der Tage mehr oder weniger von Bedeutung sind.

Ein kleiner Kritikpunkt: Einige Klischees und Stereotypen bzgl. „Deutschtürken“ werden erfüllt und dadurch auch reproduziert. Für manche Leser mag es vielleicht eine Bestätigung sein, dass „Türken eben so seien“, das finde ich schade. Aber wenn der Protagonist genau diese Vorstellungen hat, bzw. der Autor diese einfließen lassen wollte, ist auch dies verständlich, da natürlich jeder individuell ist.

Man kann nicht sagen, dass es ungeahnte Plottwist gibt, doch das ist gar nicht nötig.

Die Thematik mit den Unruhen durch eine rechte Bande, aber auch durch deren Gegner, die einen Migrationshintergrund aufweisten und Kemal genau dazwischen, fand ich sehr gelungen dargestellt und damit können sich wohl viele junge Erwachsene, die mehr als nur die deutsche Kultur kenne, identifizieren.

Ein schöner, mal etwas anderer Roman.
4 /5 🦋e


Schreibstil
Das Buch ist in der Ich- Perspektive des Protagonisten Kemal geschrieben und wirkt von Anfang an sehr authentisch. Als LeserIn hat man tatsächlich das Gefühl, dass es Kemal, der verletzte Fußballprofi ist, mit all seinen Erfahrungen, der sein Leben wiedergibt.

Schnell erfährt man die Geschichte hinter seinem Unfall, man lernt das Heilbronner Leben kennen und hat schnell das Gefühl, den Spielort zu kennen.

Ab und an zogen sich manche Erzählungen und Gedanken Kemals zu sehr.

Der Schreibstil passt perfekt zu einem jungen 21 Jährigem, da der Slang gut - aber nicht zu übertrieben - an die Jugendsprache angepasst ist.

Im Ganzen ein sehr authentischer und gelungener Schreibstil.

4,5 /5 🦋e

 



Fazit
Ein gelungener Roman über das Leben eines Deutschtürken, der mitten in seiner Identitätsfindung ist. Ein Buch, das nicht beurteilt und bewertet, sondern nur erzählt. Gerade das macht es lesenswert.

🦋🦋🦋🦋½/ 🦋🦋🦋🦋🦋

 

Ein paar Daten zum Buch
Originaltitel: Hawaii
Originalsprache: Deutsch
Autor: Cihan Acar
Erscheinungsjahr:  2020 (Deutschland)
Verlag: Hanser Berlin/ Hanser Literaturverlage
Seiten: 256
Preis: 22€

 

(Alle Daten beruhen auf meiner Buchausgabe. Dies ist ein Rezensionsexemplar vom Hanser Berlin Verlag – vielen Dank!)

 

 

 

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